Die Dosis macht das Gift. Das gilt auch für Realismus in Spielen. Wir zeugen euch Features, bei denen die Entwickler mit dem Realismus übertreiben.

Zuletzt berichtete wir über die sieben Todsünden der Spieleentwicklung, also sieben weit verbreitete Designmängel in Videospielen. Von unserem User Sascha Waldi erhielten wir den Hinweis, dass wir eine sehr verbreitete Panne übersehen hatten: Realismus auf Kosten des Gameplays. Da eine allzu realistische Spielwelt in der Tat dem Spielspaß einen jähen Abbruch bereiten kann, wollen wir das heute nachholen. In diesem Artikel stellen wir euch Features vor, die realistisch aber der Spielfreude nicht zuträglich sind. Die beschriebenen Spielelemente tauschen in den verschiedensten Genres auf. Simulationen wollen bewusst realistisch sein und sind von unserer Kritik daher weitgehend aus genommen. Außer möchten wir noch klarstellen, dass es in diesem Artikel nicht um realistische Grafik geht.

10. Rüstungs- und Waffenabnutzung

diabloRepairRüstungen und Waffen sind nicht unzerstörbar. Dass sie sich mit der Zeit abnutzen ist daher durchaus realistisch. Trägt es aber zum Spielspaß bei, ab und zu einen Amboss aufzusuchen und dort einige Goldstücke abzulegen? Die wenigsten Spieler würden diese Frage mit ja beantworten. Dennoch gehören Waffen und Rüstungen, die mit der Zeit in die Brüche gehen, seit dem ersten Diablo zum Standardarsenal vieler Spiele.

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9. Zeitaufwändiges Handwerk

aioncraftHier geht es nicht wohlgemerkt nicht um die Suche nach Handwerkskomponenten. Denn komplexe Questreihen, an deren Ende die Herstellung einer legendären Waffe steht, sind spannend und mit großen Erfolgserlebnissen verbunden. Ärgerlich ist es hingegen, noch weitere 3.000 Stahlbarren herstellen zu müssen um die Schmiedefähigkeit auf das nächste Level zu bringen und die Animation dabei nicht abbrechen zu können. Ja, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und ein Schwert zu schmieden ist eine Kunst, die viel Zeit und Können erfordert. In Games raubt stundenlanges AFK-Craften dem User aber einzig und allein wertvolle Spielzeit.

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8. Lange Fußwege

wowroadBei diesem Punkt gibt es eine Ausnahme. Die erste Reise in ein neues Gebiet darf durchaus lange und aufwändig sein. Immerhin kann die Reise das Abenteuer und der Weg das Ziel sein. Wenn der Spieler ein Gebiet jedoch regelmäßig aufsuchen soll und dafür immer eine halbe Stunde gehen muss, um anschließend seine Quests abzugeben wird es mühsam. Deutlich wurde das Problem unter anderem auf den privaten WOW Classic-Servern, wo viele User die weiten Strecken nicht mehr gewohnt waren. Wegpunkte mögen unrealistisch sein, aber sie erleichtern das Spiel deutlich. Auch Shenmue II ist berüchtigt für die unnötig langen Wege.

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7. Langsame oder gar keine Gesundheitsregeneration

Du duckst dich hinter eine Mauer und schon schließen sich alle Wunden. Der Charakter verlässt den Kampfmodus und schon schließen die Lebenspunkte in die Höhe. In vielen Spielen, seien es Shooter oder Rollenspiele, erholen sich die Helden erfreulich schnell von Verletzungen. Doch auch hier können es manche Entwickler nicht lassen. Eine Dosis Realismus hemmt die Heilkräfte des Helden und in den meisten Fällen den Spielspaß gleich mit.

BFSpritzeDenn wie viel Spaß macht es schon, nach dem Kampf einige Minuten am Boden zu kauern und wie ein Irrer Verbände oder Heiltränke anzuklicken? Fairerweise müssen wir anmerken, dass es sehr wohl Spiele gibt, in denen keine oder langsame Regeneration sinnvoll ist und die taktischen Möglichkeiten mit bestimmt. Dazu gehören etwa Hardcore-Modi in Shootern wie Battlefield 1.  Auch in Survival-Horor-Titeln ist es sinnvoll, wenn Kämpfe nicht spurlos am Protagonisten vorbeigehen.

aion0105In anderen Genres, wie Rollenspielen, erhöht diese Form von Realismus aber einzig und allein die Wartezeit zwischen Kämpfen. Das passiert oft sogar, obwohl man eine schnelle Regeneration in der Story leicht begründen könnte. In Aion etwa regenerieren Charaktere relativ langsam – obwohl sie gottähnliche Wesen sind!

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6 .Langsames und aufwändiges Training

SkyrimFightDass man Fähigkeiten anwenden muss, um sie zu trainieren, leuchtet ein. Dass es keinen Spaß macht, stundenlang auf eine Übungspuppe ein zu prügeln, um den Stärkewert um einen Punkt zu erhöhen, ist aber ebenso leicht verständlich. Training durch Anwendung kann Spaß machen, wenn es im eigentlichen Spielverlauf genug Gelegenheiten gibt, die Fertigkeiten zu nutzen. Ein gutes Beispiel für gelungenes Trainung durch Anwendung liefern The Elder Scrolls V: Skyrim und The Sims 4.

UODann gibt es aber auch Spiele, die mit dem Aufwand zur Steigerung einer Fertigkeit maßlos übertreiben. Am schlimmsten war hier Ultima Online. Zu Beginn war es dort nicht nur mit viel Zeitaufwand verbunden, Skills zu erlernen. Viel schlimmer noch, wer bereits erlernte Skills nicht regelmäßig einsetzte, verlernte sie wieder und musste sich dem gleichen aufwändigen Steigerungsvorgang wieder unterziehen!

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5. Hunger, Durst, Körperfunktionen

Sims-4-am-KloDass Sims essen, trinken, schlafen und das stille Örtchen aufsuchen, ergibt Sinn. Weniger sinnvoll ist es hingegen wenn ihnen Charaktere aus anderen Genres diese Angewohnheiten nachmachen. Ja, natürlich ist es realistisch, dass auch Helden Grundbedürfnisse haben. Aber können wir nicht einfach sagen, dass sie dann essen, trinken, schlafen und ihr Geschäft verrichten, wenn der Spieler das auch tut?

d4-dark-dreams-don-t-die-windows-screenshot-you-can-buy-foodEinen extremen Ansatz, was den Nahrungsverbrauch angeht, hatte Dark Dreams Don’t Die. In diesem Spiel verbrauchte jede noch so kleine Handlung Ausdauer. Öffne eine Tür und verliere zehn Prozent Ausdauer. Das schlimme daran war, dass die Menge an verbrauchten Nahrungsmitteln letzten Endes sogar weit über eine realistisches Maß hinausging. Dass eine magische, sprechende Katze, die den Helden begleitete und stets einen Lebensmittelladen mit sich führte, den Helden mit Nahrung versorgte, passte ebenfalls nicht ganz zu der Idee, ein realistisches Spiel zu schaffen.

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4. Essen macht dick

Brightwall_BanquetsEng verwandt mit dem letzten Mechanismus, treiben es manche Spiele noch einen Schritt weiter und machen die Figur des Helden abhängig von seiner Ernährung. So setzen etwa in Fable Charaktere, die sich ungesund ernähren mit der Zeit Speck an. Realistisch ist das freilich, ob es dem Spielspaß zuträglich ist, darf aber kritisch hinterfragt werden.

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3. Realismus ersetzt Balancing

Das Leben ist nicht fair. Gute Spiele schon. Vor allem bei Spielen mit historischen Szenarien, stehen Entwickler oft vor diesem Dilemma. In den wenigsten Kriegen der Weltgeschichte waren die Kontrahenten technologisch, wirtschaftlich und zahlenmäßig ebenbürtig. Wenn Spiele in solchen Setting angesiedelt sind, müssen sich die Entwickler also zwischen Balancing und historischer Korrektheit entscheiden.

shot_enlisted3Die meisten Entwickler entscheiden sich für das Balacing und tun gut daran. Ein historisch akkurates Szenario mag auf den ersten Blick faszinieren. Spätestens nach der fünften unausweichlichen Niederlage aufgrund der besseren Bewaffnung des Feindes, stellt sich allerdings Frust ein. Ein Spiel, das hier bewusst auf Realimus vor Balancing setzen will, ist der Weltkriegs-Shooter Enlisted. Es bleibt abzuwarten, ob Enlisted es schaffen kann, trotz dieser Vorgabe Frustmomente zu vermeiden.

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2. Dauerhaft zerstörte Fahrzeuge/Raumschiffe

EVE OnlineFahrzeuge können Totalschaden erleiden. Das ist eine unerfreuliche Tatsache in der realen Welt, die nicht unbedingt in Spiele übernommen werden muss. Das bedeutet nicht, dass Fehler ohne Konsequenzen bleiben sollen. Wenn jemand in einem Spiel sein Fahrzeug zu Schrott fährt oder fliegt, darf die Reparatur durchaus etwsa Ingame-Währung kosten. Das Fahrzeug aber ganz zu entfernen, ist unnötig frustrierend.

EVE OnlineAm extremsten hier ohne Zweifel EVE Online, bei dem auch auch Raumschiffe, die tausende US-Dollars wert sind, auf Nimmer Wiedersehen in die Luft – oder genauer das Vakuum des Weltalls – gejagt werden. Wer ein solches Raumschiff gebaut hat oder gekauft hat, wird sicher keinen Spaß an der Schlacht haben, in der es zerstört wird.

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1. Permadeath

Permadeath-in-Gaming-HeaderIn den meisten Spielen ist Gevatter Tod deutlich gnädiger als in der realen Welt. Das hilft uns auch, in Spielen Dinge zu tun, die jeder geistig gesunde Mensch im realen Leben unterlassen würde. Nun denken sich manche Entwickler aber, es wäre eine gute Idee, etwas mehr Nervenkitzel in Spiele zu bringen. Den einfachsten Weg das zu tun, sahen offenbar darin, den Tod genau so endgültig zu machen, wie in der realen Welt.

dayz-standalone-august-devblog-screen-8Ein berüchtigtes Permadeath-Spiel ist etwa DayZ, das in drei Jahren Early Access die schlimmsten Seiten seiner Spieler zu Tage gefördert hat. Rust schlägt in eine ähnliche Kerbe und bringt durch sein Permadeath-System Paranoia und Verrat ins Spiel. In Fire Emblem sorgt Permadeath zwar nicht für eine eklige Community, aber auch für blanke Nerven und Frust-Erfahrungen.

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Schlussfolgerungen

Wieviel Realismus verträgt also ein Spiel? Eine exakte Antwort kann es dafür natürlich nicht geben. Dazu sind auch die Unterschiede zwischen den Genres und Settings zu groß. Historische und gegenwärtige Szenarien werden tendenziell immer realistischer sein als Science-Fiction oder Fantasy-Welten. Wichtig ist jedoch ganz unabhängig vom Genre, dass die Geschichte in sich konsistent und logisch ist – was keineswegs gleichbedeutend mit realistisch sein muss. Wenn etwa in einem Spiel Nekromant eine verfügbare Klasse ist, ist es keineswegs glaubwürdig, wenn Menschen wegen ein paar Zombies die Apokalypse an die Wand malen. Viel eher ist wahrscheinlich, dass sie den Besitzer zur Rede stellen und auf das „Zombies müssen draußen bleiben“-Schild vor dem Laden hinweisen.

Andere Medien

In vielen Bereichen denke ich, dass sich Entwickler ein Beispiel an Filmen und Büchern nehmen könnten. So müssen etwa auch die Helden von Filmen und Romanen essen, trinken und Wege zurücklegen. In wenigsten Fällen werden solche alltägliche Aktivitäten jedoch im Film gezeigt oder im Roman beschrieben. Gezeigt wird, was für die Geschichte maßgeblich ist. Alltagsaktivitäten kann sich der Leser oder Zuschauer dazu denken, wenn er möchte, bedürfen aber keiner expliziten Erwähnung. Alle Fans wissen, dass Batman hart trainiert hat, um zu dem Helden zu werden, der er ist. In Filmen wird man aber nicht die Hälfte der Zeit dafür aufwenden, ihn im Fitness-Studio zu zeigen. So wie Filme und Bücher die spannendsten Ausschnitte aus dem Leben eines Helden zeigen, können das auch Spiele tun.

Generell sollte Realismus der spielerischen Freiheit nicht im Wege stehen. Wenn sich der Spieler nicht in alle Areale der Welt wagt, weil er Angst um seinen Charakter haben muss, geht der Realismus nach meinem Dafürhalten zu weit. Spiele leben auch davon, Dinge tun zu können, die in der realen Welt undenkbar wären und das ist nur möglich, wenn die Spielwelt nicht nach den gleichen Kriterien funktioniert, wie die reale Welt.

Wo ist eure Schmerzgrenze, was Realismus angeht? Was ist zu viel, was ist zu wenig? Sagt uns eure Meinung dazu in den Kommentaren! Folgt uns auf Facebook, wenn ihr keine News aus der Welt des Gaming verpassen wollt.